Fairplay

„Wir haben nicht immer die Macht über das Ergebnis eines Spiels oder Rennens – aber wir haben stets die Macht darüber, wie wir uns während des Wettkampfes verhalten.“
Natürlich wollen wir im Kinder- und Jugendtraining die radsportliche Leistungsfähigkeit verbessern. Wir wollen schnell(er) fahren, bei Rennen gut abschneiden und  persönliche Erfolgserlebnisse sowie Fortschritte erzielen. Allerdings ist es uns zugleich ein Herzensanliegen, auch soziale Kompetenzen zu schulen und zu festigen.
Dem Fairplay-Gedanken kommt im Radsport eine zentrale Rolle zu: Schließlich ist von noch größerer Bedeutung als das Ergebnis selbst, wie wir uns gegenüber Gegnern, Betreuern, Eltern, Zuschauern, Trainern oder Teamkollegen verhalten. Ungeschriebene Gesetze gibt es – ebenso wie in anderen Sportarten – im Radsport zuhauf.

Eine sehr anschauliche Geschichte, die in perfekter Art und Weise einerseits das untermauert, war wir unseren Kids an Fair-Play predigen wollen, und andererseits, was unserer Auffassung gänzlich widerstrebt, hat sich Ende 2013 beim Rennen in Fulda zugetragen. Lesen Sie selbst:

Wer ist schon einmal ein Radrennen barfuß gefahren? In Badelatschen? Oder in Chucks ohne Schnürsenkel? Niemand? Nun: Dieses ziemlich abstruse Szenarium lag beim Jugendrenntag in Fulda näher als erhofft: 50 Minuten sind es noch bis zum Startschuss. Mehr als genügend Zeit – schließlich stehen die Räder schon bereit, die Startnummern sind abgeholt, die Hosen und Trikots angezogen, und das Rennfahrerblut ist bereits am Pulsieren. Und dann? Dann offenbart sich, dass die falschen Radschuhe – nämlich ein Paar mit unpassenden Pedalplatten – eingesteckt worden sind.
Flugs macht sich Trainer Holger auf den Weg, um passende Pedale oder – alternativ – „passende“ Schuhe (die mitgebrachten „passten“ zwar im alltäglichen Verständnis, nicht aber im Radsportverständnis – komplizierte Angelegenheit, diese Klick-Schuhe…) aufzutreiben.
Verblüffte Blicke erntet Holger vom Tuspo-Tross, als er bereits nach gefühlten neunzig Sekunden wieder an Ort und Stelle eintrifft – und triumphierend zwei Pedale in die Höhe reckt. Binnen Sekunden hatte ihm ein „Fair-Player“ am Streckenrand die Pedale überreicht. Die Umschrauberei ging schnell, und so konnten sich die Tuspo-Kids bestens ausgestattet an die Startlinie ihrer Rennen stellen.
Es ist eine Randgeschichte, die plastisch die nachfolgenden beiden Zitate mit Leben füllt: „Beim Sportgeist geht es nicht nur darum, freundlich zu sein, sondern um sehr viel mehr als das. Es geht darum, zu erkennen, dass du nicht wetteifern könntest, wenn du keinen Gegner hättest – und dass dein Gegner die selben Ziele verfolgt wie du selbst.“ Und: „Wir haben nicht immer die Macht über das Ergebnis eines Spiels oder Rennens – aber wir haben stets die Macht darüber, wie wir uns während des Wettkampfes verhalten.“
Diese Tuspo-Erfahrung soll zugleich ein Aufruf an den Nachwuchs zum Fair-Play sein. Zumal die Erkenntnis nicht allzu fern liegt, dass Radsport-Betreuer, die in ähnlicher Situation anders reagiert hätten, den Hauptsinn, der hinter dem Kinder-Radsport steht, offenbar nur bedingt verstanden haben.
So vorbildlich diese Geste auch war, so unsportlich war das Verhalten jenes Teilnehmers im U13-Rennen, der seine Gegner beschimpfte und beleidigte. Letztendlich überwog trotz dieser unschönen Aktion beim Tuspo aber die Freude, das U11-Rennen nicht in schnürsenkellosen Chucks fahren zu müssen. Denn dadurch blieb nicht nur dem Tuspo ein schmachvoller Auftritt erspart. Sondern womöglich auch all jenen Gegnern, die erst NACH den Chucks über die Ziellinie gefahren wären…

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