Er ist Radrennfahrer und zugleich Abteilungsleiter. Ein Koordinator auf der einen Seite, und eine fleißige Arbeitskraft auf der anderen. Und, am wichtigsten: Er ist der Initiator – der Initiator des Bahnprojekts. Die Rede ist von Holger Buch, der in den nachfolgenden beiden Interviews zu Wort kommt.
Während der Tuspo-Abteilungsleiter im ersten Interview (das im September 2010, also kurz vor der Sanierung der Radrennbahn, aufgezeichnet wurde) erklärt, warum er dem Projekt anfangs skeptisch entgegenblickte und was der Hamburger Fußballklub FC St. Pauli mit dieser ganzen Sache zu tun hat, handelt es sich beim zweiten Interview, das direkt darunter zu finden ist, um ein Doppelinterview: Mitte November 2010, also kurz nach der erfolgten Sanierung aufgezeichnet, blicken Holger sowie der stellvertretende Abteilungsleiter Peter Schneider auf die abgeschlossene Sanierung zurück.
„Es lässt sich Einiges bewegen, wenn viele Menschen zusammenhalten!“
Interview mit Tuspos Abteilugsleiter Holger Buch zur Radbahnsanierung (September 2010)
Wie wurde die Idee der Radbahnsanierung geboren?
Holger Buch: „Die Idee, die Bahn zu erneuern, geistert in Göttingen schon seit Ewigkeiten umher. Vor einigen Jahren habe auch ich selbst über den Vorschlag nachgedacht – aber vorerst auf die Bremse getreten.“
Warum das?
H.B.: „Die Struktur für solch ein Großprojekt war einfach noch nicht vorhanden.“
Wann folgte dein Sinneswandel?
H.B.: „Die Initialzündung kam mit der Mission Olympic! Die Firma „Bauhof“ hat die gröbsten Löcher im Asphalt sporadisch abgedichtet – die Zuschauer waren begeistert. Und da wurde mir klar: Die Zeit ist reif!“
Auf welche Reaktionen stießt du mit deinen Sanierungsplänen?
H.B.: „Damals gab es sehr wenige Reaktionen, weil die Idee noch nicht in die Öffentlichkeit getragen wurde. Es wurden einige „Runde Tische“ organisiert, um Verhandlungen zu führen. Doch dabei habe ich gemerkt: Falls das laufen soll, dann nur über den Tuspo.
Im Winter 2009 habe ich schließlich gesagt: Wenn wir das machen, dann wird 2010 mit den Bauarbeiten begonnen. Daraufhin haben mir einige Politiker – im übertragenen Sinne – den Vogel gezeigt. Die ganzen Verträge abzusegnen, würde viel zu lange dauern, haben sie gewarnt.
Doch meiner Ansicht nach musste es einfach schnell gehen. Auch, weil das Projekt zu lasten anderer Dinge geht. Man darf nicht vergessen, dass ich im Berufsleben stehe und im Grunde auch Radrennfahrer bin. Doch das Projekt nimmt viel Zeit in Anspruch.“ (Holger beginnt zu lachen): „Beim letzten Dienstagstraining beispielsweise, da bin ich vor Anstrengung fast gestorben.“
Hat es Momente gegeben, in denen du deine Pläne am liebsten begraben hättest?
H.B.: „Ja. Von vorneherein gab es zwei große Hürden: Zum einen die Finanzierung, zum anderen die Einigung mit der SVG. Ich musste bei der Stadt einen Pachtvertrag vorlegen. Doch kurz bevor es so weit sein sollte, ist der SVG-Vorstand zurückgetreten. Da dachte ich mir: Das war´s! Doch glücklicherweise wollte Roland Emme-Weiß (Anm.: aktuell Zweiter Vorsitzender der SVG) wiederum mit uns verhandeln.“
Nachdem der Pachtvertrag schließlich in trockenen Tüchern lag, konnten Finanzierungspläne geschmiedet werden. Gesamtkosten in einer Höhe von 150.000 Euro müssen getragen werden. Das erarbeitete Finanzierungskonzept umfasst Bezuschussungen durch die Stadt und den Landessportbund. Ferner gibt es einen symbolischen Meterverkauf, durch den sich Spender und Sponsoren auf einer Tafel im Stadion verewigen können. Wie zufrieden bist du mit dem Engagement der Sponsoren?
H.B.: „Man merkt, dass viele Göttinger das Projekt richtig gut finden, dass viele ein Teil davon sein wollen. Zum einen scheinen sie davon beeindruckt zu sein, dass wir nicht nur auf Fördergelder warten. Sondern auch selbst Hand anlegen. Zum anderen, dass die Beträge wirklich überschaubar sind. Es läuft also alles plangemäß.“
Und wie steht es um die privaten Spenden?
H.B.: „Dies ist bislang der einzige Punkt, von dem ich ein wenig enttäuscht bin. Ich hoffe, das kommt mit der Zeit…“
Die Durchführung des Projekts wirkt revolutionär. Noch während die Spenden gesammelt und Sponsorenverträge unterzeichnet werden, ist die Arbeit auf der Bahn schon in vollem Gange…
H.B.: „…denn es wäre utopisch gewesen, mit Spenden im Vorhinein – beispielsweise durch Topfkuchenverkauf – die nötigen finanziellen Mittel aufzubringen. So kam die Idee mit dem Privatdarlehen. (Anm.: Einige Vereinsmitglieder haben der Radsportabteilung für zwei Jahre private Geldsummen zu niedrigem Zinskonditionen zur Verfügung gestellt. So konnte mit den Bauarbeiten unmittelbar begonnen werden)
Hat dieses Konzept einen Vorreiter?
H.B.: „Die Idee habe ich mir ein wenig beim FC St. Pauli abgeguckt.“
(Anm.: Im Jahr 2003 hatte der FC St. Pauli einen Schuldenberg von knapp zwei Millionen Euro. Neben dem sportlichen Abstieg in die Regionalliga drohte aufgrund der Nichterfüllung der Lizenzauflagen der weitere Abstieg in die Oberliga Nord. Die St. Pauli-Fans initiierten die sogenannte „Retterkampagne“: Durch eine Fülle an Aufsehen erregenden Aktionen trieben die Fans Geld ein – unter anderem wurden 140.000 T-Shirts mit dem Schriftzug „Retter“ verkauft. So konnten die Schulden beglichen, die Lizenzauflagen erfüllt und der Zwangsabstieg vermieden werden. St. Pauli spielt mittlerweile in der ersten Bundesliga – am vergangenen Wochenende gab es im Derby gegen den HSV ein 1:1.)
„Durch die Retter-Aktion ist mir klar geworden, dass sich Einiges bewegen lässt, wenn viele Menschen zusammenhalten.“
Kommen wir von der Sanierungs-Finanzierung zur Sanierung selbst: Wie sieht es momentan auf der Radbahn am Sandweg aus?
H.B.: „Am Dienstag (21.09.2010) haben wir vorerst die Eigenarbeiten abgeschlossen. Mehr als zwei Wochen lang hatten wir werktags Asphaltbrocken von der Bahn gekratzt.
Somit haben wir unseren Teil vorerst geleistet. Die Firma RST wird am kommenden Freitag mit ihren Arbeiten beginnen. Der Ball ist also nun bei ihnen.“
Und was wünschst du dir für die Bahn-Zukunft?
H.B.: „Vor allem wünsche ich mir, dass sie reichlich und intensiv genutzt wird. Ich hoffe, dass wir einen zusätzlichen Schub für unseren Nachwuchs erhalten und auf sportlicher Ebene insgesamt einen weiteren Schritt nach vorne machen können.“
„Zwischenzeitlich hat mir das Herz geblutet!“
Interview mit Tuspos Abteilugsleiter Holger Buch und seinem Stellvertreter Peter Schneider zur abgeschlossenen Radbahnsanierung (Oktober 2010)
Die Bahnsanierung ist seit einem Monat abgeschlossen. Was war für euch der bisher emotionalste Augenblick des Projekts?
Holger Buch (1. Vorsitzender) : „Für mich zweifellos, als die Großmaschinen von RST angerückt sind. Aber natürlich auch, als ich den ersten Meter der neuen Asphaltdecke gesehen habe.“
Peter Schneider (2. Vorsitzender) : „Als wir die Eigenarbeit so weit abgeschlossen hatten, dass RST anrücken konnte.“
Und, habt ihr auf dem neuen Oval schon selbst eine Runde gedreht?
H.B.: „Ja, ich bin mit Frieder schon ein bisschen gefahren.“
P.S.: „Jaklar – immer mal wieder.“
Wie viele Runden seid ihr gefahren?
H.B.: „Anderthalb Stunden in lockerem Tempo. Was fährt man da? 40-50 Kilometer…?!“
P.S.: „Ach, meistens nur 4-5 Runden…beispielsweise direkt vor der Cappuchino-Runde.“
Euer Gefühl dabei?
H.B.: „Irgendwie war ich schon von Freude erfüllt. Und, ja, auch ein wenig stolz.“
P.S.: „Geil! (lacht) Also im Ernst: Es ist klasse! Man muss aber wirklich aufpassen, dass mich sich nicht zu Tode verausgabt.“
Ab welchem Zeitpunkt wart ihr sicher, dass das Projekt von Erfolg gekrönt sein könnte?
H.B.: „Als ich mich an den Tuspo-Vorstand gewandt habe und dieser mir versicherte: Wir stehen hinter euch! Da wusste ich: Okay, das schaffen wir!“
P.S.: „Als RST mit den Bauarbeiten fertig war. Ich war von Anfang an viel skeptischer als Holger.“
Gab es im Zuge der Bahnsanierung negative Erfahrungen? Etwas, das ihr euch anders erhofft hattet?
H.B.: „Einfach schrecklich war der Moment, als auf meinem Anrufbeantworter eine Nachricht eingegangen ist, aus der hervorging, dass durch die schweren Maschinen die Rasenfläche in Mitleidenschaft gezogen worden sei. ´Oh nein´, habe ich gedacht: ´Das darf nicht wahr sein!´ In diesem Moment hat mir das Herz geblutet.“
P.S.: „Zunächst war ich ein wenig enttäuscht über die scheinbar mangelnde Mitarbeit einiger Tusporaner. Aber ich nehme an, dass das gute Gründe hatte. Ohnehin verflog meine Enttäuschung darüber vollständig durch die heftige Mithilfe der weiteren Vereinsmitglieder.“
Die Finanzierung ist noch keineswegs abgeschlossen. Das Spendenbarometer zeigt 24.000 Euro an. Stimmt euch der Stand der Privatspenden zufrieden?
H.B.: „Ich bin zufrieden, aber die Sache ist ausbaufähig. Ich erwarte eigentlich von jedem Tusporaner, dass er spendet – und wenn er nur einen 10-Euro-Schein in die Hand nimmt.“
P.S.: „Ich hatte mir mehr Begeisterung außerhalb von Tuspo erwünscht. Doch ich hoffe, dass über die Weihnachtszeit noch etwas kommt.“
Und wie steht es um die Sponsorengewinnung?
H.B.: „Unser Ziel ist es, zu versuchen, die Kurven zu vermarkten. Wir müssen einfach weiter am Ball bleiben.“
P.S.: „Auch bezüglich der Sponsoren hatte ich mehr Begeisterung erwartet. Manchmal stieß ich sogar auf eine gewisse – ja, wie soll ich sagen? – eine Art Gleichgültigkeit.“
Haltet ihr es für realistisch, dass im kommenden Jahr Rennen auf der Bahn ausgetragen werden?
H.B.: „Auf alle Fälle Trainingsrennen mit Renncharakter. Zudem wird die Bahn auch für offizielle Rennen bis hin zu Landesmeisterschaften freigegeben werden.“
P.S.: „Ja, ganz sicher! Es sollen auf jeden Fall Rennen stattfinden. Im Verein sind sogar bereits erste Ideen gesponnen worden…!“
Wenn ihr das Bahnprojekt mit einem einzigen Wort beschreiben müsstet, welches Wort würdet ihr wählen?
H.B.: „Super“
P.S.: „Respekt“
(Die Interviews führte Timo)