Am kommenden Freitag steht dem Tuspo-Fahrer Kai-Henrik Günther einer der größten Momente seiner radsportlichen Karriere bevor: Er wird in Baunatal bei den Deutschen Meisterschaften im Einzelzeitfahren starten, für die er sich durch seinen Sieg bei den Landesmeisterschaften Anfang Mai qualifiziert hat. Über 45 Kilometer wird sich Kai unter anderem mit Hochkarätern wie dem aktuellen Zeitfahrweltmeister Tony Martin messen dürfen. Im Interview verrät der 40-Jährige, welche Ziele er sich für die DM gesteckt hat, warum ihm Anfeuerung wichtig ist, und was der Kampf gegen die Uhr mit einem Marschflugkörper gemein hat.
Du wirst Dich am Freitag Abend mit großen Namen messen, Kai. Welches Gefühl dominiert bei Dir, wenn Du gedanklich auf die DM vorausblickst?
„Eine leichte Aufregung – eigentlich wie vor jedem Wettkampf.“
Mit welchem Ziel gehst Du in Dein Rennen?
„Nicht Letzter zu werden.“
Nach dem Sieg bei den Landesmeisterschaften hast Du erklärt, dass Deine Frau und Deine Kinder, die am Streckenrand gestanden haben, für Dich eine große Motivation dargestellt hätten. Wird Deine Familie Dich auch in Baunatal zur Höchstleistung antreiben?
„Ja – und zwar generationsmäßig sogar nach oben erweitert. Dieser Faktor motiviert mich wirklich ungemein. Man freut sich dann regelrecht darauf, wieder das Ziel zu passieren, um sich allen zu zeigen. Dafür legt man gerne eine Schaufel nach und beeilt sich zusätzlich. Besonders wichtig ist das dann natürlich für die letzte Runde.“
Baunatal liegt weniger als 70 Kilometer von Deinem Wohnort entfernt. Inwiefern spielt die Tatsache eine Rolle, dass die DM für Dich so etwas wie ein „Heimwettkampf“ ist?
„Einerseits insofern, als vielleicht ja auch ein paar weitere Tusporaner zum Anfeuern da sind. Andererseits auch für meine Motivation im Vorfeld der Landesmeisterschaften. Denn seit ich wusste, dass die DM in Baunatal ausgetragen wird, wollte ich mich gern für die Titelkämpfe qualifizieren. Bis ins Allgäu wäre ich demgegenüber wohl eher nicht gefahren.“
Du hast Anfang dieser Woche die Strecke besichtigt. Was zeichnet das Streckenprofil aus – und was wird, davon abhängig, auf dem 15 Kilometer langen Rundkurs entscheidend sein?
„Die Strecke ist durchaus mit der LVM-Strecke zu vergleichen: Es handelt sich also nicht um einen reinen Rollerkurs – jedenfalls für die Amateure. Es gibt zwei Anstiege von etwa 1000-1500 Metern Länge und 2-5 % Steigung und zudem ein kurzes steileres Stück. Auf einer zwei Kilometer langen Abfahrt wird es richtig schnell werden, und die Kurven werden alle problemlos zu fahren sein. Für die Profis ist das Ding flach und Tony Martin wird bestimmt einen 50er-Schnitt böllern. Auch der Wind wird auf jeden Fall eine Rolle spielen, weil große Teile durch die offene Feldmark führen. Allerdings werden wohl bei den diesbezüglich besonders anfälligen Streckenabschnitten Rückenwindverhältnisse vorherrschen, sofern man dem Wetterbericht Glauben schenken will.“
Du bist mit 40 einer der ältesten Sportler bei den Meisterschaften. Inwieweit spielt dieser Faktor beim Zeitfahren eine Rolle?
„Das spielt keine sonderlich große Rolle. Ich bin übrigens der zweitälteste Starter: Lars Teutenberg aus Nordrhein-Westfalen ist noch vier Jahre älter als ich, allerdings ein ganz anderes Kaliber. Er wurde letztes Jahr Vierter!“
In Zeitfahrerkreisen bist Du keineswegs unbekannt – und hast neben Deinem zweiten Platz bei den Landesmeisterschaften 2012 und Deinem Sieg 2014 auch oftmals beim Göttinger Zeitfahrcup triumphiert. Wie würdest Du Deine Paradedisziplin charakterisieren?
„Zeitfahren ist ein durch Muskelarbeit erzeugter einziger Geschwindigkeitsrausch. Wenn mental und technisch alles stimmt, fühlt man sich wie ein Marschflugkörper im Zielanflug. Nach diesem Gefühl bin ich süchtig.“
Das Interview führte Timo.